Meine Morde entstehen aus Landschaften
von Paul Schaffrath
Zum zweiten Mal fand die Verleihung des Rheinbacher Glasdolchs in der Rheinbacher Glasfachschule statt, dort, wo der Glasdolch auch von zwei Lehrern angefertigt wird. Der nunmehr sechste Glasdolch ist 29 cm lang und glitzerte auf der Bühne bei der Überreichung im Scheinwerferlicht.
Die Auszeichnung für das Lebenswerk eines Krimischriftstellers ging in diesem Jahr an die aus Northumberland an der Ostküste Englands stammende Ann Cleeves, die vor wenigen Tagen 71 Jahre alt geworden ist. Sie war eigens per Bahn angereist, um die Mordwaffe persönlich entgegenzunehmen.
Nach einer Lesung aus ihrem neuesten Buch, The Killing Stones, nahm sie der Bonner Kulturjournalist David Eisermann in ein kurzweiliges Kreuzverhör, in dem Cleeves unter anderem berichtete, dass bei allen ihren Büchern die Landschaft und das Wetter eine wichtige Rolle spielen, Wind, Nebel und Einsamkeit.
Sie schreibe drauflos und finde erst mit dem Detektiv zusammen den Täter. Sie bemühe sich um eine gute erste Zeile, aus der sich alles entwickele. Dieses Mal laute sie: „Archie Stout schrie in den Sturm hinein.“ Wenig später ist er tot.
In seiner Laudatio ging Winrich C.-W. Clasen, Rheinbacher Verleger und Erfinder des Glasdolchs, auf das Lebenswerk von Ann Cleeves ein: 35 Romane, Übersetzungen davon in 20 Sprachen – und alle auf einem konstant hohen Niveau. Nicht zu vergessen die Verfilmungen ihrer Bücher, „Mord auf Shetland“ und „Vera – ein ganz spezieller Fall“.
Der Rheinbacher Glasdolch reflektiere das Wesen von Ann Cleeves Büchern tausendfach, sagte Clasen: kristallklar, böse und geschliffen, wie ihre Sätze. Daher habe sich auch die Jury (Ralf Kramp, Winrich C.-W. Clasen sowie Ruth Bruchhausen und Christel Engeland von der Buchhandlung Thalia in Rheinbach) einstimmig für sie entschieden.
In ihrer Dankesrede, nach der sie ausgiebig signierte, beschrieb Ann Cleeves die Arbeit der Krimiautoren: „Wir erzählen Geschichten, weil die Welt chaotisch ist. Zumindest in der Fiktion kann es noch Gerechtigkeit geben.“